2 Weltrekorde für die Ewigkeit

von Thomas Bauer

Am 8. Oktober 2011 war es wieder soweit –
zum 2. Mal wagte ich mich dem Extremsport:

In der Therme Erding (Bayern) hieß es wieder vier Stunden lang rutschen, runtschen, rutschen und dabei mehr als 12.000 Treppenstufen bzw. weit über 2.000 Höhenmeter zu absolvieren - kurz gesagt: Wettrutschen oder auch Distanzrutschen. Und eines stand schon vor dem Startschuss fest: Die heute erzielten Rekorde werden wohl für die Ewigkeit bestand haben, da sich die Leute von Guinness Records entschieden haben die 4h-Distanz durch die 6h-Distanz zu ersetzen.

Somit war mein Ziel klar: Den Einzelweltrekord zu verteidigen und den im Frühjahr hauchdünn verpassten Mannschaftsweltrekord zu erobern. Die Voraussetzungen für Zweiteres waren sehr gut: Der deutsche Privatsender Kabel 1 übernahm diesesmal nicht nur die Videoproduktion sondern die gesamte Organisation. Und so mussten sich neben uns fünf "Rutschprofis" fünf weitere Kandidaten über ein Casting bewerben. Die besten 10 kämpften am Ende in Tirol (zweitägiger Power-Test) um die begehrten fünf restlichen Plätze im Team. Ich konnte mir dank meiner Visitenkarte "Einzelweltrekordler" das Casting ersparen:) und durfte Anfang Oktober erholt nach Deutschland anreisen.

Neben sechs deutschen Teamkollegen gesellte sich auch ein Schweizer und zwei Landsmänner zu unserem Team. Einer sollte meinen Einzelweltrekord noch gefährlich nahe kommen - aber mehr dazu etwas später. Gerutscht und gelaufen wurde wieder von Samstag 22:00 Uhr bis Sonntag 02:00 Uhr. Bis dahin hieß es nach erfolgreicher Ankunft noch einige Videodrehs ins Trockene zu bringen, entspannen, Schnitzel essen und fleißig X-Box zocken ;)

Kurz vor dem Start gab es schon im Team den ersten Schock. Der deutsche Berglauf-Nationalteamläufer Josef Beha musste verletztungsbedingt passen. Für ihn sprang Ersatzmann Michael Steiner (einer der zwei Österreichischen Kollegen ein), der schlussendlich auch eine ordentliche Leistung abrufen konnte. Auch für mich lief es nicht wirklich rund, denn ich wirkte nach der ersten Uni-Woche und der ersten richtigen Lauftrainingswoche nach Saisonpause, extrem müde. Zwar konnte ich zu Beginn ganz kurz die Führungsposition erobern, danach flogen aber die ersten Kollegen förmlich an mir vorbei und so war ich auf einmal irgendwo auf Position 4 oder 5. Und sogar noch deutlich vor Ende der ersten Stunde musste ich ein Schicksal hinnehmen, das mir im Frühjahr in den gesamten vier Stunden erspart blieb - nämlich eine Überrundung. Mein Österreichischer Landsmann und Langläufer Sebastian Astelbauer überrundete mich gleich zwei Mal in den ersten 60 Minuten, auch Andreas Allwang und Christian Krause hatten bereits eine Runde mehr am Konto.

In der 2. Stunde war schon komplett die Motivation weg, ich fühlte mich total schlapp und müde. Nochdazu war ich im Rutschen einfach saumäßig langsam, immer wenn ich aus der Rutsche stieg waren gleich 2-3 hinter mir, so ging das Runde für Runde. Und mit den Überrundungen ging es munter weiter. Relativ perplex war ich als ich nach zwei Stunden 54 Runden am Konto hatte - das waren mehr als damals bei meinem Einzelweltrekord wo ich am Ende 105 Runden hatte und mich aber deutlich besser fühlte. Der Führende Sebastian Astelbauer war mit 57 Runden drauf und dran den Weltrekord zu pulverisieren. In der Mannschaftswertung hatten wir zu diesem Zeitpunkt bereits einen Riesenvorsprung auf den Weltrekord (900 Runden) - auch die 1.000 Runden-Marke schien zu diesem Zeitpunkt noch realistisch.

Mein persönliches Befinden wurde in der 3. Stunde noch viel schlimmer. Während ich im April die Treppen nicht einmal gehen musste, so musste ich diesesmal sogar kurz stehen blieben. Nach zwei Stunden und ca. 50 Minuten sollte aber die große Wende kommen. Bisher lief alles ziemlich besch*****, ich hatte total müde und schwache Beine, die Motivation war im Keller und ich quälte mich von Runde zu Runde. Doch kurz vor Beginn der letzten Stunde ging alles auf einmal wie am Schnürchen, ich verspürte plötzlich keine Müdigkeit mehr in den Beinen, konnte die Treppen ohne Probleme bis ganz oben flott durchlaufen. Mittlerweile mussten auch meine zu schnell gestarteten Teamkollegen dem hohen Tempo Tribut zollen. Nun begann also meine Aufholjagd, fast fünf Runden (ca. 12 Minuten) Rückstand auf den Führenden Sebastian wettzumachen. Ein großes Handicap hatte ich allerdings in der letzten Stunde doch noch, die extrem stickige Luft machte ein kontrolliertes Atmen in der Rutsche fast unmöglich. Ab 1 Uhr war ich während des Rutschens fast nur noch am Husten. Trotzdem wurde die Laufleistung dadurch nicht eingeschränkt.

Die letzten 60 Minuten entschädigten dann für die ersten drei Stunden Qual. Diesesmal flog ich auf den Treppen förmlich an meinen Teamkollegen vorbei, holte Runde für Runde auf die Führenden auf. Doch auch die anderen neun Rutscher hielten sich wacker - keiner musste vorzeitig aufgeben und so war der neue Mannschaftsweltrekord nicht mehr gefährdet - bereits über 20 Minuten vor dem Zielschuss wurde eine neue Bestmarke fixiert. In den Schlussminuten stellte sich nur noch die Frage wie weit die neue Rekordmarke ausgebaut wird und wer natürlich die Einzelwertung gewinnt. Mein Einzelweltrekord war mittlerweile nicht mehr gefährdet, das hohe Anfangstempo der Neuen sollte sich nicht bewähren. Schlussendlich gelang es mir tatsächlich noch das Einzelranking mit 103 Runden (die 104. ging sich zeitlich nur ganz knapp nicht aus) zu gewinnen. Dahinter platzierten sich Florian Pfeiffer (102) und die Casting-Gewinner Andreas Allwang (102), Michael Steiner (100), Sebastian Astelbauer (100) und Mario Lawendel (99). Die "Rutsche-Routiniers" Jens Scherer (96) und Steve Schild (95) verpassten zwar die 100-Runden Marke blieben aber ebenfalls deutlich über der alten Rundendurchschnitts-Marke des Teamweltrekords. Christian Krause (92) und Stefan Servos (88) rundeten die tolle Teamleistung ab.

Am Ende waren wir 77 Runden über dem Weltrekord:

Name
Runden
km
Thomas Bauer
103 36,7010
Andreas Allwang
102 36,3446
Florian Pfeiffer
102 36,3446
Michael Steiner
100 35,6320
Sebastian Astelbauer
100 35,6320
Mario Lawendel
99 35,2757
Jens Scherer
96 34,2067
Steve Schild
95 33,8504
Christian Krause
92 32,7814
Stefan Servos
88 31,3562
Gesamt
977
348,1246

Der schlimmste Teil sollte aber noch nach dem Lauf folgen. Nachdem ich meine letzte Runde beendet hatte, blieb der Jubel bei mir leider aus. Den aufgrund der wie bereits erwähnt dünnen Luft konnte ich nicht mehr ordentlich atmen. Kurzfristig musste ich sogar mit Sauerstoffmaske versorgt werden und die Ärzte rieten mir sogar im Krankenhaus zu übernachten. Doch nach einem kurzen Spaziergang gings mir doch wieder um einiges besser und ich entschied mich für das Übernachten im Hotel mit anschließend ausgezeichnetem Frühstück. Am Vormittag ging es dann mit etwas besserer Atmung und mit zwei Weltrekorden im Gepäck zurück nach Österreich.

War wieder ein tolles Event - auch wenns diesesmal sportlich einige Tiefen gab. Aber das gehört zum Sport einfach dazu, hat die Sache diesemal sogar um einiges interessanter als beim ersten Mal gemacht. Die Organisation von Kabel1 war 1A, hat alles perfekt geklappt. Alles einwandfrei geplant und super Versorgung - da kann man natürlich auch fürs nächste Antreten nicht ablehnen, auch wenns wahrscheinlich noch schmerzhafter wird (6 Stunden sind doch zwei Stunden mehr und wenn die Luft wieder so arg ist, darf ich nächstes Mal sicher im Krankenhaus übernachten^^...)

Auf wettrutschen.de findet ihr übrigens alle weiteren Infos & Stats zum Event inkl. den Kabel 1 Reportagen:
http://wettrutschen.de/archiv/2011/a111009_distanzrutschen_nacht_4h_altw.html