Titeltraum in der Röhre

Von Gudrun Porath

reinhardshagen/USLAR. Zisch – schnell wie ein Pfeil saust der Mann durch die Rutsche und landet im aufspritzenden Wasser. Aus dem aufgewühlten Element erhebt sich Christian Tschentscher, der "Röhrengott".

So wird er genannt, seit er bei der Niedersächsischen Meisterschaft im Wasserrutschen im Dezember in Wolfsburg den Titel holte. Jetzt trainiert er für die Deutsche Meisterschaft im Wettrutschen am 31. März in Scharbeutz. Der Uslarer, der in Reinhardshagen eine Fleischerei führt, strahlt. Die Rutscherei macht offensichtlich großen Spaß

50 Stundenkilometer
Dass es nicht um Spaßrutschen geht, zeigt der Vergleich mit den Amateuren, die im Uslarer Badeland nach Tschentscher aus der blauen Wasserröhre plumpsen. Was der Uslarer Meister betreibt, ist echtes Rennrutschen. Ein Sport, bei dem die Besten Geschwindigkeiten bis zu 50 Stundenkilometer erreichen. Ihr Trick: Sie rutschen nicht auf dem Hintern, sondern nur auf Schultern und Fersen nach unten und machen dabei ein Hohlkreuz.

Ganz ohne Helm übrigens, zwischen Rutsche und Haut befindet sich nur ein dünner Wasserstrahl und die Badehose. Hilfsmittel wie Rennanzüge, Knie- und Ellenbogenschützer oder Creme auf der Haut sind nicht erlaubt. "So wenig Wasser, Haut und Stoff wie möglich zwischen Rutsche und Rutscher", erklärt Trainer Rolf Allerdissen aus Spenge bei Bielefeld, worauf es ankommt.


Tschentscher, mit 35 Jahren im besten Alter für den Sport, der vor allem von Männern zwischen 30 und 40 betrieben wird, reibt sich derweil den Ellenbogen. Der schimmert bläulich. Profirutschen ist nicht ungefährlich. "Vergangene Woche waren wir in Detmold zum Trainingswettkampf. Die Röhre ist teilweise ein Black Hole, also ganz dunkel. Da hat es mich in der letzten Kurve an die Wand geschmettert. Aber abgesehen vom Ellenbogen geht‘s schon wieder."

Ehefrau Annette, die mit Sohn Claudius immer mitreist, erwähnt nebenbei noch den geschwollenen Fußknöchel. Der ist mittlerweile wieder in Ordnung, und überhaupt zählen all diese Verletzungen nicht. "Es macht soviel Spaß, zu rutschen und mit den anderen Rennrutschern zusammen zu sein, da vergisst man schnell, wenn es wehtut", sagt Tschentscher.

25 Rutschdurchgänge
Begonnen hat seine Leidenschaft im Uslarer Badeland. Hier hat er zum ersten Mal gerutscht und trainiert nun für die Meisterschaft. Eine Trainingseinheit umfasst 25 Rutschdurchgänge. "Da schlottern am Ende ganz schön die Beine." Schließlich muss Tschentscher die Rutsche nicht nur runter, sondern die Treppe zum Start auch wieder rauf.

Die Zeitnahme, um den Trainingsfortschritt zu messen, wird improvisiert. Bevor er sich in mit den Füßen voran die Röhre stürzt, gibt er über ein Walkie-Talkie das Signal für den Zeitnehmer, der dann per Hand stoppt. Eine automatische Zeitnahme gibt es in Uslar nicht. Das ist nicht der einzige Unterschied zur Meisterschaftsrutsche in Scharbeutz.

Die ist mit 158 Metern Länge und 15,40 Metern Höhenunterschied fast doppelt so lang und hoch wie die Uslarer mit 84 Metern. "Das wird ganz schön anstrengend", ahnt Tschentscher und seine Augen leuchten. Eins ist klar: Wenn es für Begeisterung einen Titel gäbe, wäre Tschentscher die deutsche Meisterschaft gewiss.